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Intuitiv essen 2.0

Über „intuitives Essen“ habe ich schon mehrmals in meinen Blogs geschrieben, ist es doch DIE Art sich zu ernähren, die für mich am meisten Sinn macht. Denn eigentlich sind wir alle als intuitive Esser geborgen und somit ist es die natürlichste aller Ernährungsformen. Erst durch unsere Erziehung und dem Aufwachsen in einer diätgeschädigten, verkehrten Welt wurde uns antrainiert, unnatürlich über Ernährung zu denken und dadurch ungesunde Entscheidungen in Bezug auf unser Essverhalten zu treffen. Aus intuitiv agierenden Babies werden Erwachsene, die mit dem Essen, dem Gewicht und gegen ihren Körper kämpfen und sich dadurch das Leben noch schwerer machen als es eigentlich schon ist.

Beim intuitiven Essen verbinden wir uns wieder mit uns selber. Wir essen, wenn wir hungrig sind, hören auf, wenn wir satt sind und genießen das Essen ohne schlechten Gewissen.

Was sich so einfach anhört ist – auch für geübte intuitive Esser wie mich –ist trotzdem nicht immer leicht. Deshalb habe ich diesen Herbst beschlossen, selber einen „Auffrischungskurs“ in Sachen intuitivem Essen zu machen um gut durch die dunkle und kalte Jahreszeit (und weiter durchs Leben) zu kommen. Als Expertin brauche ich nicht weit zu gehen, um mich zu informieren. Mein Büro ist angefüllt mit Büchern über Ernährung, Essverhalten und der Psychologie des Essens. Doch vor allem meine eigene Erfahrung ist unbezahlbar. Ich weiß, wie schlecht es sich anfühlt, vom Essen kontrolliert zu werden und wie Freiheit und Leichtigkeit zurückkommen, wenn Essen kein Drama mehr ist. Doch manchmal schleichen sich auch bei mir – wenn ich nicht aufpasse – alte Muster ein, die ich glaubte, schon längst verabschiedet zu haben.

Ich habe mir seit sehr langer Zeit angewöhnt, auch wenn ich alleine bin,  den Tisch schön zu decken um dort entspannt und ohne Ablenkung meine Mahlzeiten zu genießen. Doch seit einigen Monaten drehe ich den Fernseher auf und zappe mich durch die Kanäle, während ich esse. Ich weiß auch genau, warum: Es ist eine Strategie, um den Stress loszuwerden. Wenn ich nach einem langen und anstrengenden Tag hungrig und müde nach Hause komme, dann ist die Flimmerkiste eine wunderbare Ablenkung, um in eine fiktive, spannende und bunte Welt einzutauchen und dabei für einige Momente das reale Leben zu vergessen. Es ist auch in Ordnung, sich beim Fernsehen zu Entspannen – doch NACH dem Essen und nicht währenddessen! Essen und Fernsehen bedeutet, sich doppelt abzulenken von den Herausforderungen des Lebens – das kenne ich aus meiner Zeit als junge Erwachsene.

Sich ablenken, um nicht zu fühlen!

Denn letztendlich geht es immer ums Fühlen bzw. darum, nicht fühlen zu wollen.

Das ist mir bewusst und ich erkenne auch ganz klar, dass mein Essverhalten in den letzten Monaten darunter gelitten hat. Fernsehen statt fühlen. Will ich das weiterhin? Nein!

Mein Fernseher wird abgedreht. Der Raum füllt sich mit Stille. Ich konzentriere mich mit allen meinen Sinnen auf das, was auf meinem Teller liegt, auf meinen Hunger und darauf, wie sich Sattheit einstellt. Dann lege ich die Gabe weg, obwohl der Teller noch nicht ganz leer ist.

„Iss doch auf, es sind nur mehr ein paar Bissen!“, meldet sich sofort mein Verstand.

Ich spüre ein Unwohlsein auftauchen. Ich will aufessen. Ich bin zwar körperlich satt, aber ich fühle noch immer eine Leere in mir, die ich füllen möchte.

„Wo bleibt das Vergnügen?“ – so schnell gibt die Stimme im Kopf nicht auf.

Ich atme. Ich schenke meinen Gedanken keine Beachtung. Ich lasse meine Gefühle auftauchen, gebe ihnen Raum.

STRESS,

UNZUFRIEDENHEIT,

TRAURIGKEIT,

LEERE,

die SEHNSUCHT nach warmen Sommertagen voller Lachen.

Ich bewerte nicht. Ich analysiere nicht. Die Gefühle wollen nur gefühlt werden. Ich atme. Ich bleibe sitzen vor dem halb leer gegessenen Teller und atme. Atme hinein in mein Unwohlsein und in meine Gier nach einer zuckrigen Nachspeise und der Fernbedienung. Atmen und Fühlen, das ist alles, was gerade wichtig ist. Nach und nach beruhigen sich die Stimmen im Kopf, die Intensität meines Unwohlseins nimmt ab, die Gefühle beginnen sich aufzulösen. Was bleibt ist eine innere Zufriedenheit. Ich fühle mich gut – weiteressen hat seinen Reiz verloren.

Heute habe ich bewusst mein Verhalten wieder korrigiert. Morgen werde ich weiterüben. Ich räume den Tisch ab, stelle das Geschirr weg. Vor mir liegt ein ruhiger Abend. Ich schalte meine Duftlampe ein, nehme mein Buch und mache es mir auf der Couch gemütlich. Und während mein Körper zufrieden seufzt, tauche ich ein in eine spannende Geschichte.