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Kekse, Schnee und Dankbarkeit

Durch die Glasfront des Hotels blicke ich auf einen riesigen Weihnachtsbaum. Die goldenen und silbernen Kugeln tauchen die einfallende Dunkelheit des Dezembernachmittags in warmes Licht, kleine, glitzernde Punkte legen sich wie ein magischer Vorhang aus einer anderen Welt über die hohe Tanne. Menschen eilen bepackt mit Taschen und ernstem Gesichtsausdruck vorbei, während hier drinnen aus dem Lautsprecher Weihnachtslieder klingen, untermalt von Wortfetzen der ankommenden Gäste.

Ich sitze in der Lobby und genieße die vorweihnachtliche Stimmung. Ich könnte überall auf der Welt sein, eine Touristin, die Urlaub in einer Stadt macht. Ein bisschen fühlt es sich an, als wäre ich in New York, obwohl ich in Wirklichkeit noch nie in New York war. Ich bin weit weg vom Alltag – gönne mir ein paar Tage Auszeit in der Stadt, und bin für die ersten zwei Übernachtungen in diesem Hotel abgestiegen. Ein Geschenk an mich. Danach werde ich zu meiner Freundin Tara fahren, wir werden die Couch ausziehen, auf der ich immer nächtigen darf, wenn ich hier bin. Und ich werde auch dort genauso glücklich einschlafen wie in meinem kleinen Hotelzimmer.

In der Stadt tauche ich ein in den Glitzer und Trubel der bevorstehenden Feiertage. Ich bewundere die weihnachtlich dekorierten Schaufenster, rieche den Duft von gebrannten Mandeln und Maroni auf der Einkaufsstraße und freue mich darüber, dass ich mich schon länger vom Konsumzwang des schenken Müssens befreit habe. Mit meinem Freund Jan trinke ich Glühwein und mit meiner Schwester Lotta Kaffee. Endlich sehe ich meine kleine Nichte und meinen Neffen wieder, bin gerührt von ihrer kindlichen Fröhlichkeit, ihren strahlenden Augen und ihrer Präsenz. Für mich gibt es nichts Schöneres als mich mit Menschen, die mir am Herzen liegen zu verbinden, und wertvolle Zeit mit ihnen zu verbringen.

Bei Tara und Walter findet das jährliche Kekse backen mit „family & friends“ statt. Die letzten zwei Jahre war dieses Treffen wegen der Pandemie ausgefallen. Nun sind wir glücklich, endlich wieder zusammen zu sein, gemeinsam Lebkuchen, Vanillekipferl, Dinkeltaler und Malteser Stangerl zu produzieren und dabei fröhlich miteinander zu plaudern. Erfüllt von der Herzlichkeit der Gastgeber und wunderbaren Menschen fahre ich mit dem Zug zurück in mein Landleben. Als ich bei der kleinen Bahnstation meines Heimatdorfes aussteige, begrüßen mich verschneite Bergkuppen und eine klare, frische Winterluft. Ich liebe „meine Stadt“, das bunte Treiben und das Zusammensein mit meinen Freunden, doch es ist immer wieder schön, nach Hause zu kommen. Hier herrscht Ruhe und Stille, hier kann ich die Natur genießen und mit meinen Tieren sein.

Am nächsten Morgen enthüllt mein Blick aus dem Fenster eine winterliche Landschaft. Es hat in der Nacht ziemlich geschneit, und alles ist in eine dicke, weiße Schneeschicht eingehüllt. Für Hündchen Ruby ist es der erste Schnee ihres Lebens. Sie kann ihr Glück gar nicht fassen, rollt in den pulvrigen Schneemassen herum, gräbt sich ein in jeden Schneehaufen. Später liegt sie unter dem Schreibtisch zu meinen Füßen und ruht sich von der Anstrengung aus, während ich mich wieder beruflichen Dingen widme.

Zu den Feiertagen wird sich das Haus mit Familie füllen, 13 Menschen und 4 Hunde zähle ich – bei weitem nicht die ganze Schar. Da wird es laut werden, und vielleicht auch manchmal ein bisschen hektisch. Es wird Essen in Hülle und Fülle geben, und viele Kekse. Ich weiß, dass ich jede Mahlzeit genießen werde, ohne mir irgendetwas zu verbieten oder mich zu überessen. Das habe ich früher gemacht und mich danach gar nicht wohl gefühlt. Diese Zeiten sind vorbei und jetzt gebe ich an Andere weiter, was ich durch meine Erfahrungen gelernt habe.

Ich streichle die flauschigen Ohren von Ruby und spüre eine Welle der Dankbarkeit in mir hochsteigen. Es gibt so vieles, wofür ich dankbar bin! Ich habe alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Doch es sind nicht die materiellen Dinge, die mich erfüllen, und mein Leben ist auch bei weitem nicht frei von Herausforderungen. Im Gegenteil, die letzten Monate und Jahre bin ich – wie so viele andere Menschen – durch einige Schwierigkeiten gegangen. Doch gerade das hat mich dazu gebracht, mehr in meine Kraft zu wachsen und zu erkennen, welcher Schatz in mir verborgen liegt. Das Leben hat mich gelehrt (und lehrt mich weiter), authentisch zu sein, meine Wahrheit zu sprechen (auch wenn es manchmal unbequem ist) und mir selbst wieder zu vertrauen. Dadurch vertraue ich auch wieder dem Leben. Ich bin wie ein Gefäß, das überfließt – vor Dankbarkeit, vor Freude, vor Liebe!

Das Leben möchte jeden von uns mit Wohlwollen überhäufen. Doch dazu müssen wir bereit sein, die Kontrolle aufzugeben und alles loslassen, was nicht mehr unserem Wachstum dient. Das klingt einfach, ist jedoch gar nicht so leicht.

Doch dann…dann können wir wie Sterntaler im Märchen die Arme weit ausbreiten, das Herz öffnen und uns über die Geschenke freuen, die in unseren Händen und unserem Leben landen 😊!

Gesegnete Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr 2023!