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Gut aussehen oder gut fühlen?

Als ich vor 5 Jahren aufs Land zog war das, was ich am meisten von der Stadt vermisste, mein Fitnessstudio. Natürlich auch meine Freunde. Doch die konnte ich anrufen, ihnen E-Mails schreiben oder mich in den Zug setzen, um sie in der Stadt zu treffen.

Aber mein ehemaliges Fitnessstudio das direkt gegenüber meiner Wohnung lag, das fehlte mir schon sehr. Denn Bewegung und Fitness gehören für mich zum Wohlbefinden. Also arrangierte ich mich, besorgte mir ein paar Fitness-DVDs, Hanteln und eine gute Matte, und trainierte in meinem kleinen Wohnzimmer. Denn „kein Fitnessstudio“ ist nur eine Ausrede. Es gibt immer Möglichkeiten, sich körperlich zu betätigen, und mein Landleben beschert mir Wiesen, Wälder und Berge vor der Haustüre, die ich jederzeit bewandern kann. Ich jammere also hier auf sehr hohem Niveau 😉!

Trotzdem, ein „Gym“ ist vor allem im Winter eine nette Sache, wo das abendliche Landleben außer Dunkelheit und kuschelige Abende auf der Couch mit einem guten Buch oder einem spannenden Film nicht besonders viel hergibt. Da kann gleich einmal die Motivation zur Bewegung verloren gehen. Bei mir jedenfalls.

So war ich ziemlich erfreut, als meine Nichte Marie letzten Dezember ein kleines Fitnessstudio etwa 12 km von uns entfernt entdeckte. Seitdem bin ich – sofern es die Zeit erlaubt – zweimal pro Woche dort um meinen Körper zu bewegen und zu kräftigen. Es macht nicht immer Spaß mich ins Auto zu setzen und dort hinzufahren, wenn es zu Hause doch viel gemütlicher wäre. Doch ich werde mit Wohlgefühl belohnt. Das ist auch der Grund, warum ich Sport betreibe: Mein Körper braucht Bewegung. Zu viel herumsitzen macht ihn träge. Und Trägheit fühlt sich gar nicht gut an. Ich möchte mich wohl und lebendig fühlen. Wenn ich mich gut in und mit meinem Körper fühle, dann überträgt sich das auf meine Stimmung, meine Energie und meine Lebensfreude.

Doch Wohlfühlen war früher nicht vorrangig der Grund, warum ich Sport betrieben habe. Mein Ziel war gut auszusehen. Gut aussehen, schlank sein, wenig Körperfett haben und in eine enge Jeans passen, ohne dass sich irgendwo kleine Speckröllchen zeigen, war tatsächlich meine Motivation, um ins Fitnessstudio zu gehen. Nur wenn ich dieses Ziel erreichen würde, dann wäre ich glücklich, so mein Gedanke. Dann wäre mein Leben viel schöner und einfacher. Wenn ich super aussehe, habe ich auch ein super Leben. Doch statt mir mein Leben schön zu gestalten, habe ich meinem Körper viel Leid angetan. Mit hungern und überessen und Training, das mich wieder hungrig machte. Dann aß ich abermals viel zu viel und musste die überschüssigen Kalorien durch Sport verbrennen. Es war ein ewiger Teufelskreis, der mir jede Freude nahm. Ich habe meine Lektion über die Jahre – und mit einigen Rückschlägen – gelernt. Ich habe viel Zeit damit verschwendet bei dem Versuch, gut auszusehen.

Heute weiß ich, dass dieses Ziel von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Denn ich ließ andere darüber entscheiden, wann ich denn gut genug aussehen würde. Andere, das waren die Werbung und die Bilder schöner Menschen im Fernsehen und in den Fitnesszeitschriften. Das war das Körperideal einer ver-rückten Welt, das dazu erschaffen wurde, um Menschen ihre Einzigartigkeit und Schönheit vergessen zu lassen.  

Ist es nicht total verrückt, dass wir anderen die Berechtigung geben, über unser Aussehen zu entscheiden und ein Urteil darüber abzugeben?

Sie sogar darum bitten?

Warum scrollen wir uns durch die sozialen Medien, um uns zu vergleichen und zu prüfen, ob unsere Körper richtig sind, richtig in ihrer Form und passend gekleidet?

Wird dieser Fokus auf das „gut aussehen“ nicht schön langsam langweilig?

Jeder Körper ist besonders – egal ob er irgendeinem Ideal entspricht oder nicht!

Lasst uns zurückkehren in unsere Körper! Lasst uns diese bewohnen und ihre Einzigartigkeit feiern! Damit hüpfen und barfuß in der Wiese laufen, Spaß haben, im Wasser herumplantschen, tanzen, auf Berge klettern und im Schnee herumtoben. Finden wir heraus, was gut für uns ist, was uns Freude macht, Gesundheit bringt und uns wohl fühlen lässt. Das kann für jeden ein bisschen anders sein. Für mich ist es das Fitnessstudio im Winter, und die Natur im Sommer.

Eines ist sicher: Bewegung bringt Wohlbefinden. Und das Paradoxe daran ist: Wer sich wohl fühlt, sieht auch gut aus 😊!