Ein Sonntagnachmittag im Februar. Endlich ist es wärmer geworden, am Thermometer lese ich 10 Grad C ab. Mit den Sonnenstrahlen kommt die Vorfreude auf den Frühling und wärmt mein Herz. Bald ist er vorbei, der kalte, dunkle Winter.
Ich schnappe meine Hündin Julie und mache mich auf zu einem ausgiebigen Spaziergang. Es geht den Berg hinauf, hinein in den Sonnenschein und in die milde Luft. Nach einer halben Stunde Gehzeit erreiche ich eine Anhöhe, auf deren Wiese riesige Ballen mit Silofutter des benachbarten Bauern gelagert sind. Sie sind mit lindgrüner Plastikfolie umhüllt und von der Sonne herrlich aufgewärmt. Ich lasse Julie von der Leine und klettere auf den untersten Ballen. Die Ballen sind wie eine Pyramide gestapelt und so kann ich mich bequem auf den höheren Ballen anlehnen. Es sitzt sich angenehm und warm darauf. Hier werde ich mich ausruhen und meine Gedanken schweifen lassen. In der Zwischenzeit ist Julie schon weit weg gelaufen und tollt in ihrem Hundeglück auf der noch vom Schnee weiß gesprenkelten Wiese herum. Immer wieder bleibt sie stehen und wirft mir einen Blick zu. Es fühlt sich an, als wären wir mit einem unsichtbaren Band miteinander verknüpft, ein Band das nie abreißen kann. Dieses weiße, weiche, warme Fellknäuel mit seiner Vorliebe für Komposthaufen und Löcher graben hat für immer einen Platz in meinem Herzen.
Ich blinzle in die Sonne und genieße ihre warmen Strahlen auf meinem Gesicht. Der Himmel ist tiefblau, ein Flugzeug bahnt sich seinen Weg zielstrebig zu einem mir unbekannten Ziel, ein Adler zieht bedächtig seine Kreise. Ich lausche dem Vogelgezwitscher und dem fernen Rauschen eines Bächleins. Die Zeit bleibt stehen. Dehnt sich aus, fällt zusammen zu einem einzigen Moment. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr. Nur jetzt. Diese Präsenz nimmt alles ein, Frieden macht sich in mir breit.
Ich erkenne mit einer glasklaren Deutlichkeit, dass alles genauso ist wie es sein soll. Mein Leben ist genauso verlaufen wie es sollte. Alle meine Entscheidungen, meine Erfahrungen – die schmerzhaften und die schönen, sind perfekt eingewoben in den Teppich meines Lebens. Ich brauche nichts zu verändern, auch gibt es nichts zu Bereuen. Alle Zweifel verschwinden, alle Schuldgefühle lösen sich auf. Auch das schlechte Gewissen wegen des Schokoriegels den ich vorhin gegessen habe, obwohl er mir eigentlich viel zu süß war. Und wegen des Menschen den ich letzte Woche gekränkt habe, weil mir meine Freiheit wichtiger war als alles andere. Überflüssig die Gedanken, dass ich mehr tun sollte, mehr leisten sollte, mich mehr ins Zeug legen sollte. Das Leben hat mich hier hergebracht, an diesem Platz und zu dieser Zeit, und genau hier soll ich sein. Jeder Schritt von mir war nicht nur der richtige Schritt, sondern ich wurde und werde auch weiterhin auf magische Weise gelenkt. Weiter zu den nächsten Erfahrungen und Begegnungen. Weiter, um das Leben in seiner gesamten Schönheit auszukosten und zu genießen. Es gibt nichts, was ich bedauern oder fürchten müsste. Ich darf mir erlauben, unbeschwert zu sein. Ich darf mit Freude und Neugier weiter das Leben erkunden. Eintauchen in das unbekannte, wilde, großartige Leben.
Der Geruch des vergorenen Heus aus den Ballen steigt mir ganz leicht in die Nase. Julie kommt schwanzwedelnd angelaufen. Sie möchte wieder weiter gehen. Weiter das Leben erschnuppern, den Moment mit der Unschuld eines glücklichen Hundes begegnen. Ich atme tief durch, nehme alles in mir auf, die Schönheit der Natur, die Leichtigkeit des strahlenden Sonntags, die Freude am Leben. Mit Schwung hüpfe ich hinunter auf den Boden, nehme Julie an die Leine und mache mich auf, zurück nach Hause.
In mir und um mich herum spüre ich noch immer ganz deutlich die Magie des Moments. Diese Magie, die ich nicht mehr verlieren kann – war sie doch schon immer Teil meines Lebens – war sie doch immer schon ein Teil von mir.
Foto: unsplash.com