Die Vorweihnachtszeit ist jedes Jahr ein bisschen hektisch – auch bei mir. Obwohl ich mich größtenteils aus dem Rummel raushalte, färbt er doch immer etwas ab.
Nicht jedoch heuer. Denn dieses Jahr verbringe ich die Vorweihnachtszeit in Thailand. Mein lang ersehnter und wohlverdienter Urlaub nach diesem anstrengenden Jahr ist endlich da. Bei null Grad und im Zwiebellook gekleidet lasse ich den grauen Novembertag hinter mir, Bikini, T-Shirts, Bücher, zwei Schreibblöcke und meine Yogamatte im Gepäck. Jan, mein ziemlich bester Freund, holt mich vom Flughafen in Krabi – im Süden von Thailand gelegen – ab. Ich bin müde und kaputt von der langen Reise. Es regnet in Strömen. „Du hast schlechtes Wetter mitgebracht“ sagt Jan. „Die Regenzeit ist eigentlich schon vorbei, die letzten Tage war Sonne.“ Jan ist schon seit einem Monat hier, vorher war er auf Bali. Er ist ein „virtueller Nomade“, arbeitet dort, wo andere Urlaub machen. Alles was er dazu braucht sind sein Computer und eine gute Internetverbindung.
Wir haben tatsächlich Pech mit dem Wetter. Die nächste Woche regnet es fast ununterbrochen. Ich habe Mühe, mich an die tropische Schwüle anzupassen. Die Kleidung ist feucht, meine Finger geschwollen, meine Stimmung im Keller. Wir können nicht viel unternehmen bei diesem Wetter. Jan arbeitet. Ich lese. Ich schreibe. Fülle die Seiten meines Schreibblocks zuerst mit meiner Frustration und dann mit neuen Ideen. So weit weg von zu Hause, auf mich zurückgeworfen und viel Zeit für Innenschau, das wirkt Wunder. Der Gedankenmüll in meinem Kopf wird vom Regen weggewaschen und vom Wind aus meinen Gehirnwindungen herausgeblasen. Der Schnee von gestern, die verschüttete Milch, der alte Ballast, alles versinkt im Meer. Löst sich dort auf, verschwindet für immer. Dafür kommt die Freude zurück. Und nach über einer Woche endlich auch das schöne Wetter.
Ich gewöhne mich von Tag zu Tag mehr an das anfangs so fremd wirkende Land. Jan hat ein Moped gemietet, damit düsen wir auf den holprigen Straßen durch die Landschaft. Hier herrscht Linksverkehr, die Straßen sind gefüllt mit Mopeds, Tuk Tucks und Autos, da kommt es schon mal zu gefährlichen Überholmanövern. Jan ist in seinem Element, während ich mich zu Beginn krampfhaft am Rücksitz festhalte. Doch bald macht mir diese Art der Fortbewegung Spaß. So kommen wir zu entlegenen Stränden und Buchten, wo wir entspannt im badewannenwarmen Meer plantschen und uns von der Sonne bräunen lassen.
Aus der Heimat bekomme ich Bilder von verschneiten Terrassen, selbstgemachten Lebkuchenhäusern und bunt verzierten Weihnachtskeksen. Doch das alles ist ganz weit weg. Bei mir entfällt heuer das Kekse backen. Ich genieße die scharfe, thailändische Küche, esse mit Vorliebe Papayas, Mangos, Ananas und Shrimps mit Gemüse in allen möglichen Varianten.
So weit weg von zu Hause hat sich auch mein Blickwinkel verändert. Ich erkenne ganz deutlich, was mir wirklich wichtig ist: meine Familie und meine Freunde, ein selbstbestimmtes Leben führen und Freude an dem haben was ich tue. Ich merke wie reich ich eigentlich bin: ich habe alles was ich brauche – und noch viel mehr. Ich bin mit Menschen zusammen, die ich liebe. Ich habe so viele Möglichkeiten, mein Leben schön zu gestalten. Manchmal braucht es eine weite Reise, um den Blick für das Wesentliche zu schärfen. In drei Tagen geht es wieder zurück in die Heimat. Dann werde ich bewusst und freudig in die Weihnachtstimmung eintauchen. Die allerbesten Lebkuchen meiner Freundin Tara naschen, und den Weihnachtsstollen meiner Mutter kosten. Weihnachtslieder singen und wieder meine dicke Winterjacke tragen.
Das Schönste am Verreisen? Für mich ist es immer das Heimkommen! Um dort wieder mit klaren, reingewaschenem Blick die Perfektion meines wunderbaren, unperfekten Lebens zu erkennen.