Heute ist ein wunderschöner, sonniger Herbsttag. Perfekt, um Brombeeren zu pflücken. Beim letzten Spaziergang habe ich ganz in der Nähe viele Hecken mit wildwachsenden Brombeeren entdeckt. Ich möchte davon Brombeermarmelade machen, nur ein paar Gläschen zum Verschenken. Ob mir das gelingt? Im Marmelade machen bin ich nicht wirklich geübt. Doch es geht mir mehr um die Freude am Tun, und für neue Experimente bin ich immer zu haben.
Ich brauche ein Kilo Brombeeren für das halbe Kilo Gelierzucker, das ich im Vorratsschrank gefunden habe. Voller Eifer mache ich mich mit einem kleinen Kübel auf zu den nahegelegenen Brombeerhecken. Ein Teil der Brombeeren ist schon vertrocknet, ein Teil noch nicht reif. Doch dazwischen gibt es ganz viele kleine süße Beeren. Süß ist gut, klein nicht so. Denn ich pflücke und pflücke, und habe kaum den Boden des Kübels bedeckt. Außerdem erscheint es mir, als wären die größeren, schöneren Brombeeren so weit oben, dass ich sie nicht erreichen kann. Das ist richtig frustrierend.
Ist das nicht interessant? denke ich. So wie im richtigen Leben. Wir glauben, dass das, was außerhalb unserer Reichweite liegt, besser ist und schöner. Und versäumen dabei die Kostbarkeiten, die direkt vor unserer Nase liegen. Denn beim genauen Hinsehen erkenne ich, dass es direkt vor mir Brombeeren in Hülle und Fülle gibt. Ich lasse mich richtig fallen in das Erlebnis des Pflückens, vergesse die Zeit und in meinem Kopf hören die Gedanken auf sich wichtig zu machen. Ich spüre die warme Herbstsonne auf meiner Haut und lausche dem Summen der Fliegen, die sich auch an den Brombeeren zu schaffen machen. Im Busch raschelt ein Vogel, aus der Ferne höre ich das Bimmeln der Kuhglocken. Der Frieden um mich herum breitet auch in mir aus. Ganz tief atme ich den Geruch von Erde und Wärme ein. So fühlt sich wahres Glück an.
Mein kleiner Kübel ist fast gefüllt und mit zerkratzen Armen und Händen mache ich mich auf den Heimweg. Voller Stolz wiege ich meine gepflückten Schätze. Ich habe sogar ein Viertel Kilo mehr gepflückt als ich brauche. Damit ist gleich auch das morgige Frühstück gesichert. Nach der Anleitung auf der Zuckerpackung mache ich mich ans Marmelade kochen. Vorher werden die Brombeeren aber püriert, damit die Kerne nicht stören. Zum Schluss spare ich nicht mit Zimt und anderen Gewürzen und auch ein paar Stückchen Schokolade rühre ich in die fertige, heiße Marmelade. Ganze vier Gläser kann ich damit befüllen. Leider wird sie doch nicht so fest, wie ich es mir vorgestellt habe. „Das macht gar nichts“, sagt mein Bruder, der das erste Glas zur Verkostung bekommt. „Ich rühre die Marmelade ins Joghurt, dafür ist die Konsistenz ideal.“ „Und, wie schmeckt sie dir?“ frage ich gespannt. „Sehr lecker, sie schmeckt nach Weihnachten. Was hast du denn da alles reingegeben?“
Ich bin zufrieden mit meinem Marmeladeexperiment. Die restlichen 3 Gläschen verstecke ich ganz hinten im Schrank. Ob die wohl bis Weihnachten halten?
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