Mein Vorsatz für das neue Jahr war so fit wie möglich werden. Letztes Jahr musste ich einige Abstriche in Sachen Sport machen. Ich war sehr beschäftigt und ständig unterwegs und hatte auch durch meinen Umzug kein Fitnessstudio mehr auf der anderen Straßenseite. Dafür die Natur vor der Haustür. Doch um ein aktives und sportliches Leben zu führen – so wie ich es mir vorgestellt hatte – dazu war zu wenig Zeit.
Dieses Jahr wird alles anders, so versprach ich mir selber. Und es klappte auch ganz gut. Ich nahm meine morgendliche Yogapraxis wieder auf und machte so oft es ging lange, flotte Spaziergänge in der Natur - auch wenn es kalt und ungemütlich war. Mein Drang nach Bewegung ist groß und ich fühle mich einfach viel, viel wohler, wenn ich meinen Körper fordere und ihn dabei so richtig spüre. So machte ich mich an einem Sonntagnachmittag vor 5 Wochen auf, um eine Runde durch den Schnee zu stapfen. Es hatte schon den ganzen Vormittag geschneit, die Straße auf der ich ging war schneebedeckt und auch ziemlich rutschig. Doch ich war sicher mit meinen festen Winterschuhen unterwegs. Auf dem Nachhauseweg wurde das Schneetreiben stärker, die Straße rutschiger. Schon lag ich im Schnee, rappelte mich auf um gleich noch einmal im Schnee zu landen. Es war wirklich glatt. Sehr vorsichtig geworden ging ich weiter und rummms, schon lag ich wieder im Schnee. Aber diesmal – ich wusste es sofort – war etwas passiert. Mein Knöchel war eingeknickt, ich hatte Schmerzen. Im Krankenhaus bestätigte das Röntgenbild: Das Sprunggelenk war gebrochen, ich bekam für die nächsten 6 Wochen einen Gips auf mein linkes Bein verpasst.
Die ersten 10 Tage waren sehr hart für mich. Ich durfte das gebrochene Bein nicht belasten und konnte mich nur auf Krücken kurze Strecken bewegen. Plötzlich war ich abhängig, auf fremde Hilfe angewiesen. Hilflos. Mutlos. Für mich als freiheitsliebende Person bei der Unabhängigkeit an erster Stelle steht eine große Herausforderung. Ich musste lernen, Hilfe von anderen anzunehmen. Und meinen Zustand der Bedürftigkeit auszuhalten und damit umzugehen.
Jetzt hatte ich Zeit nachzudenken. Warum hatte ich mich selber so ausgebremst? Ich kam drauf, dass ich mir eine „Auszeit“ gewünscht hatte. Eine Pause vom letzten anstrengenden Jahr – und auch den Jahren davor. Die drei Wochen Urlaub in Thailand hatten nicht gereicht um mich so richtig zu erholen. Ich war nach wie vor erschöpft. Selber hätte ich mir keine Auszeit gegönnt, nun war ich dazu gezwungen worden.
Nach 10 Tagen bekam ich einen Schuh den ich über den Gips stülpen konnte, und so konnte ich auch das Bein wieder etwas belasten. Das erleichterte vieles. Auch die Schmerzen waren weniger und ich begann mich mit meiner Situation anzufreunden. Vormittags saß ich mit hochgelagertem Bein am Schreibtisch, ordnete und sortierte, entsorgte ganz viele Unterlagen die ich nicht mehr brauchte, legte neue Mappen an und verbesserte mein Ablagesystem. Und ich schrieb. Solange ich schreiben kann, ist nicht alles verloren. Fast war ich dankbar, dass ich mir das Bein und nicht die Hand gebrochen hatte. Am Nachmittag lag ich auf der Couch und las. Ich arbeitete zwei dicke Fachbücher über DBT (Dialektisch-Behavoriale Therapie) durch. Diese Therapieform beschäftigt mich schon sehr lange und endlich hatte ich Zeit, mich intensiv damit zu beschäftigen. Und ich konnte mir nun in aller Ruhe die letzte Staffel der Krimi-Serien „Castle“ und „The Mentalist“ anschauen. Damit brachte ich etwas Spannung und Unterhaltung in mein jetzt sehr reduziertes und ereignisloses Leben.
In einer Woche kommt der Gips ab. Ich habe ein bisschen Angst davor, dass es noch dauert bis ich meinen Fuß voll belasten kann. Doch ich hoffe, bald wieder spazieren gehen und meine Yogaübungen aufnehmen zu können. Die Fitness-DVD´s habe ich mir schon bereit gelegt, und auch die Hanteln. Nach dieser langen Pause freue ich mich so richtig darauf, meinen Körper zu bewegen. Auf der Couch lag ich jetzt lange genug.
Manchmal hält Leben ziemlich harte Lektionen bereit. Man wird ausgebremst oder bremst sich selber aus. Letztendlich –wenn man genau in sich hineinhört und die Geschehnisse hinterfragt – ist jedes Ereignis ein Geschenk, dass das Leben für uns bereithält. Auch wenn es im Moment überhaupt nicht so aussieht. Auch wenn wir damit hadern und es nicht verstehen. Die Erfahrungen der letzten Wochen waren für mich unglaublich wertvoll. Viele Dinge sehe ich jetzt anders, nehme nichts mehr als selbstverständlich – schon gar nicht meine Gesundheit. Und ich habe auch daraus gelernt: Wenn ich das nächste Mal eine Auszeit brauche, dann erlaube ich sie mir. Ohne Rücksicht darauf, was das Umfeld dazu sagt, ob es „angebracht“ ist oder nicht, ob ich mir eine Auszeit „verdient“ habe oder nicht. Ich werde es mir einfach erlauben. Weil ich mir wichtig bin. Weil mein Wohnbefinden an erster Stelle steht. Weil meine Zeit hier auf Erden kostbar ist. Und weil es noch so viele Dinge zu erfahren gibt die mehr Spaß machen als gestresst durch die Welt zu rennen.