Eines der Dinge die ich vermisse seit ich aus der Stadt weggezogen bin ist mein Fitnessstudio. Es lag direkt gegenüber meiner Wohnung und ich brauchte einfach nur meine Sporttasche nehmen und die Straße überqueren – auch wenn ich nicht besonders motiviert war, schaffte ich das. Mal arbeitete ich mit Gewichten, dann benutzte ich den Stepper oder machte eine Yoga-, Pilates- oder Zumbastunde. Je nachdem, worauf ich gerade Lust hatte. Nun wohne ich mitten im größten Fitnessstudio der Welt: der Natur. Hier kann man so einiges an Sport machen. Ich vergaß nur, dass die Winter hier am Land lang, dunkel und kalt sind. Zusätzlich kam Ende Jänner noch der Bruch meines Sprunggelenks dazu und meine körperliche Fitness sowie die Motivation mich zu bewegen war irgendwo zwischen meinem grünen Gipsverband und den ständigen Minusgraden verloren gegangen.
Umso glücklicher war ich, als vor einigen Wochen die Hündin meiner Schwester Lotta – ein Golden Retriever namens Julie – in unsere Hausgemeinschaft einzog. Lotta hatte neben ihrer Patchwork Familie inklusive jungem Hund zu wenig Zeit für sie und wusste, dass Julie bei uns gut aufgehoben war. Mein erster Gedanke war gleich, sie als „Sportbuddy“ zu benutzen und mit ihr lange und flotte Spaziergänge zu machen. Ein Hund ist ja bekanntlich ideal für die eigene Fitness, denn man muss bei jedem Wetter und jeder Temperatur raus in die frische Luft um dem Tier genügend Bewegung zu bieten.
Doch meine Rechnung ging leider nicht auf. Julie hat ihren eigenen Kopf. Als betagte Dame mit stolzen 77 Hundejahren legt sie keinen Wert mehr darauf, große Distanzen zurückzulegen. Kaum machen wir uns auf den Weg, hat sie schon wieder genug. Dann bleibt sie einfach stehen und rührt sich nicht mehr von der Stelle. So hat sich unser täglicher (von mir als intensives Training geplanter) Marsch zu einem 20-minütigen gemütlichen Spaziergang umgewandelt. Julie möchte lieber wieder nach Hause, sich im Garten im Gras wälzen, Erdlöcher graben und im Komposthaufen nach Essbarem suchen (der deswegen jetzt von meinem Mitbewohner eingezäunt wurde). Zur Verbesserung meiner Fitness ist Julie also eine völlige Fehlbesetzung. Und auch sonst hat sie so ihre Macken.
Julie hat Angst vor Gewitter und Kühen, läuft manchmal davon und ist dann nirgendwo zu finden, stinkt wenn sie nass wird (klar, so wie jeder Hund), steht uns ständig im Weg, frisst alles, was sie findet und bekommt dann Durchfall. Trotzdem möchte ich sie auf keinen Fall mehr missen! Wenn sie mich mit ihren großen Hundeaugen ansieht, bin ich verloren. Mein erster Gang nach dem Aufstehen führt zu ihr, dann wird sie zuerst einmal ausgiebig gestreichelt. Manchmal erzähle ich ihr Geschichten oder singe ihr was vor. Julie nimmt mich so wie ich bin- ein klarer Fall von bedingungsloser Liebe! Und eine absolute Bereicherung in meinem Leben.
Was meine Fitness betrifft habe ich ein altes Rad aktiviert, wandere an den Wochenenden mit Freunden und an Regentagen benutze ich meine Yogamatte, Hanteln und ein paar DVDs. Mein altes Fitnessstudio in der Stadt habe ich schon (fast) vergessen.